Rittigkeitsprobleme

Dies ist ein sehr persönlicher Beitrag über Al Janina CF (und mich) – Achtung lang!

Al Janina habe ich selber gezüchtet, sie war das erste Fohlen sowohl von Jenisseij als auch Metallica. Von Geburt an habe ich sie sehr geliebt, sie war für mich etwas Besonderes. Obwohl sie sehr schön war, habe ich nie überlegt, sie in‘s Show-Training zu geben, weil sie mir dafür „zu schade“ war. Ich wollte sie nicht zeigen, ich wollte sie für mich.

Daher wurde sie nur 2x öffentlich gezeigt: als Fohlen auf der Show in Ströhen, wo sie unter „ferner liefen“ abschnitt und als 7-jährige auf der Prämienschau des VZAP in Bad Oldesloe, wo ich sie selber vorgestellt habe und sie mit sehr guten Noten zur Prämienstute ernannt wurde.

Als 4-jährige habe ich sie zum Anreiten weg gegeben. Sie wurde überwiegend im Gelände geritten und kam nach 4 Monaten angeritten wieder zurück. Mir wurde berichtet, dass sie sehr kooperativ sei, sehr rittig und mutig auch vorne weg ging.

Wir haben sie danach sporadisch geritten bzw. versucht zu reiten. Sie zeigte mal mehr mal weniger deutliche „Rittigkeitsprobleme“, ein besserer Begriff fällt mir nicht ein.

Ich habe immer gesagt „sie zickt“. Dies äusserte sich in Kopfschlagen, Verwerfen, Schweifschlagen, nicht-vorwärts-Gehen bis hin zu totalem Verweigern jeglicher Kooperation und sehr selten Andeutungen hinten hoch zu gehen. Dazu kam gelegentliches Stolpern und einmal auch ein Sturz.

Dieses „Gezicke“ trat sporadisch auf, vorallem beim Reiten in der Halle oder auf dem Platz. Der Sturz fand auf dem Rückweg von einem kleinen Ausritt statt, auf Asphalt leicht bergab.

Immer war sie sehr kooperativ, ich hatte immer den Eindruck, dass sie sich sehr bemüht hat. Nie war sie „böse“. Ich war mir immer sicher, dass sie will, aber nicht kann. Sie war immer ein extrem umgängliches Pferd mit einem sehr ausgeprägten „Will-to-please“.

Mal ging es besser, mal schlechter, wirklich gut war sie nie. Über die Jahre habe ich festgestellt, dass sie grundsätzlich im Gelände, geradeaus, besser ging und in der Halle oder auf dem Platz schlechter war.

Ich hatte mehrfach Tierärzte und Physiotherapeuthen bzw. Osteopathen an ihr „dran“. Nach dem Sturz wurde eine Trageerschöpfung diagnostiziert und osteopathisch behandelt. Vor der Behandlung war sie überbaut, danach war sie vorne 10cm „gewachsen“. Sie ist danach nicht mehr gestolpert oder gestürzt. Auf ihr „Gezicke“ hatte das keine Auswirkung.

Sie war mehrfach in der Klinik und ich habe sie röntgen lassen. Hufrolle, Sprunggelenke, Knie, Rücken und Halswirbelsäule. Immer war alles entweder unauffällig oder so geringfügige Befunde, dass diese als unbedenklich dargestellt wurden. Beugeproben und Lahmheitsuntersuchungen waren immer unauffällig.

Sie hatte zumindest zeitweilig Magen-Probleme, bekam mehrfach Gastroguard gefüttert. Sie wurde immer angepasst gefüttert und hat über sehr lange Zeiträume Magenschoner bekommen (Pronutrin war das Futtermittel, welches ihr am Besten geholfen hat).

Die Ursachen habe ich dann bei mir gesucht, hatte schlechtes Reiten, fehlende Kenntisse, mangelnde Ausbildung im Verdacht. Ich habe sie bei Profis meines Vertrauens in Beritt gehabt, ich bin auf Lehrgänge gegangen und habe Unterricht genommen. Ich habe mich mit Bodenarbeit beschäftigt und sie entsprechend gearbeitet. Auch hier „zickte“ sie mal mehr mal weniger, vorallem wenn es um Stellung und Biegung ging. Seitengänge waren oft sehr problematisch.

Die Ausrüstung habe ich über die Jahre hinweg immer wieder versucht zu optimieren. Hier habe ich viel Aufwand und Geld investiert, viel ausprobiert und ihre persönlichen Vorlieben ergründet. So habe ich neben verschiedenen Sätteln, Sattelunterlagen und Gurten auch verschiedene Zäumungen mit und ohne Gebiss ausprobiert sowie das Reiten mit Halsring getestet.

Ich wollte sie immer gerne reiten, weil ich sie – wie oben bereits erwähnt – sehr geliebt habe, sie so eine tolle Persönlichkeit hatte und extrem kooperativ war. Aber aufgrund ihrer Probleme und der Unkenntnis der Gründe dafür habe ich es meist gelassen. Ich war in der aussergewöhnlichen Situation mehrere Pferde zur Verfügung zu haben. Ich “musste” sie nicht reiten.

Ab 2020 war sie dann meine einziges Reitpferd und ich habe mich nochmals sehr intensiv mit ihr beschäftigt. Dabei habe ich vieles per „trial-and-error“ heraus gefunden.

Ich bin sie viel im Gelände geritten, wo sie sehr gut vorwärts ging und in allen 3 Gangarten zu reiten war. Wir haben kürzere und längere Ausritte unternommen. Ein fantastisches Pferd, absolut verkehrssicher und überall hin alleine zu reiten. Sie ging mit mir immer überall hin, war super kooperativ und hat mir extrem viel Freude bereitet.

Im Herbst 2021 bin ich mit ihr einen Wanderritt gegangen, den sie fantastisch absolviert hat. Sie ging fleissig und motiviert vorwärts, wir sind natürlich überwiegend Schritt gegangen, aber auch ab und zu getrabt oder galoppiert. Nur am letzten Tag, da sind wir in der Gruppe eine längere Strecke galoppiert, da schlug mit Kopf und Schweif und zeigte ihren Unwillen. Nur konnte ich in der Gruppe nicht durchparieren, da musste sie leider durch, was ich sehr bedauert habe.

2022 habe ich dann nochmal viel versucht. Im Prinzip ging es einen Schritt vor und zwei Schritte zurück. Ich habe mich dann mit dem Thema PSSM 2 beschäftigt und sie angepasst gefüttert. Auch wenn ich den Eindruck hatte, dass ihr das gut getan hat, hat es zu keiner Verbesserung ihrer Rittigkeit geführt.

Dazu kam, dass sie wieder vermehrt angefangen hat zu stolpern. Sie zuckte vorne zusammen und stolperte, ist aber nie gestürzt. Für meine Physio/Osteo des Vertrauens war sie allerdings unauffällig, es gab auch keinen Hinweis auf eine erneute Trageerschöpfung.

Im Herbst 2022 habe ich dann vermehrt über ECVM gelesen. Hier handelt es sich um eine Malfomation der Halswirbel C6/C7, die zu massiven Problemen führen kann. Obwohl die Halswirbelsäule von Al Janina ja schon zuvor geröntgt und als unauffällig diagnostiziert worden war, habe ich diese Bilder Anfang Dezember 2022 zu Frau Dr. Katharina Ros geschickt, die als Spezialistin in diesem Fachgebiet gilt (sie wohnt – Ironie des Schicksals – gerade mal ein paar Kilometer entfernt).

Frau Dr. Ros konnte keine Indizien für ECVM feststellen, musste mir aber leider mitteilen, das Al Janina eine Arthrose im Halswirbelgelenk zwischen C6 und C7 hat und diese massive Probleme verursachen kann bzw. wird. Dies hatte der Tierarzt, der die Bilder gemacht hatte, ganz offensichtlich nicht erkannt.

Diese Form der Arthrose kann genau die Symptome verursachen, die ich bei Al Janina beobachtet habe. Dazu kommt ein typisches Stolpern, als ob das Pferd einen elektrischen Schlag in die Vorderbeine bekommen würde. Bingo, genau das war es! Zucken wie bei einem elektrischen Schlag und dann Stolpern. Volltreffer, ich hatte nach 9 Jahren eine Diagnose. Es passte alles.

Daraufhin war mir klar, dass ich es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren kann, sie weiterhin zu reiten. Ich habe noch einmal einen letzten Ausritt mit ihr unternommen und mir dann eine Reitbeteiligung auf einer Appaloosa-Stute gesucht.

Als Al Janina dann Ende Februar 2023 eine wirklich schreckliche Verletzung am Hinterbein hatte, war für mich klar, dass der Versuch sie zu therapieren nur dann Sinn machen würde, wenn sie in absehbarer Zeit wieder über die Weide galoppieren könnte. Nachdem mir die behandelnde Tierärztin der Klinik nach anfänglichem, umkonkretem Ausweichen diesbezüglich keine Perspektive aufweisen konnte, habe ich sehr sehr schweren Herzens beschlossen, sie einschläfern zu lassen.

Das Beitragsbild zeigt sie in einer der sehr sehr seltenen “guten” Phasen bei einem Reitkurs bei Peter Kreinberg.

Ich habe Bilder von ihr von Geburt an. Auf diesen kann ich im Nachhinein erkennen, dass sie wohl in ihrem ersten Winter eine Schwellung am Hals vorne unten rechts hatte. Ab dem Sommer, als sie ein Jährling war, ist in diesem Bereich ein sog. “Lanzenstich”, also ein abgeheilter Muskel(faser)riss zu erkennen. Womöglich – Spekulation! – hat sie damals bereits einen Tritt abbekommen, der die Halsbasis nachhaltig verletzt und zu der Arthrose in diesem Bereich geführt hat.

Sie muss ihr ganzes Leben lang Probleme/Schmerzen an der Basis der Halswirbelsäule gehabt haben. Insbesondere ist dies wohl in der Kombination Bewegung und Biegung aufgetreten. Deshalb war es ihr meistens unmöglich, sie in der Halle zu traben – Ecken und Zirkel waren das Problem, ebenso Stellung und Seitengänge. Im Gelände geradeaus hatte sie weniger bis keine Beschwerden.

Ich bin sehr froh darüber, auf mein Bauchgefühl gehört zu haben. Meine Reitlehrer, Trainer und Bereiter haben das stets genauso gesehen und sie entsprechend vorsichtig und gefühlvoll „angefasst“. Von Aussenstehenden, die ihre Persönlichkeit nicht kannten, bekam ich gelegentlich zu hören „die verarscht Dich“, „da muss mal jemand Richtiges drauf“, „die muss mal richtig durchgeritten werden“. Tut das nicht! Hört auf Euer Gefühl!